Unglaublich: Tesla ist bereits mehr wert als VW, Daimler, BMW…
770 Prozent. So viel hat die Aktie des Elektroauto-Pioniers Tesla bereits zugelegt - und zwar in einem Jahr. Noch dazu in jenem Jahr, das durch die Corona-Pandemie als ein Krisenjahr geradezu epischen Ausmaßes in die Wirtschaftsgeschichte eingehen wird. Und ausgerechnet Tesla, jener Konzern, der vor gar nicht langer Zeit arge Schwierigkeiten gehabt hatte. Das bekannte kürzlich sogar Tesla-Chef Elon Musk höchstpersönlich. Via Twitter sprach er davon, dass der Konzern insbesondere wegen des Model 3 zwischenzeitlich nur einen Monat vor der Pleite gestanden war.
Mittlerweile ist das Unternehmen aber profitabel, Musk kann auf fünf Quartal in Folge in den schwarzen Zahlen zurückblicken. In den drei Monaten bis Ende September erzielte das Unternehmen einen Nettogewinn von 331 Millionen Dollar (279 Millionen Euro) - gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres eine Steigerung um 131 Prozent. Auch der Umsatz wächst rasant. In besagtem Quartal ist er um 39 Prozent auf 8,8 Milliarden Dollar geklettert. Und das in einem Umfeld, in dem die Automärkte insgesamt schrumpfen (freilich nicht das Segment, auf das Tesla setzt).
10.000 Prozent plus in 10 Jahren
Trotz der wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Krise hält der Konzern an dem ehrgeizigen Ziel fest, im laufenden Jahr eine halbe Million Fahrzeuge auszuliefern. All das wird an der Börse honoriert, Tesla schon länger der wertvollste Autobauer der Welt. Die Dimensionen sind mittlerweile allerdings schier unfassbar: Gut 600 Milliarden Dollar (mehr als 500 Milliarden Euro) ist der Tesla-Konzern mittlerweile wert. Auf Sicht von zehn Jahren hat die Aktie eine Wertsteigerung von mehr als 10.000 (!) Prozent erfahren!
Noch beeindruckender sind die Relationen zur Konkurrenz: Die Marktkapitalisierung des stolzen VW-Konzerns beträgt keine 80 Milliarden Euro. Daimler ist derzeit rund 60 Milliarden Euro wert, GM gut 50 Milliarden. Tatsächlich ist Tesla aktuell bereits so viel wert wie VW, Daimler, BMW, GM, Ford, Renault, Peugeot, Fiat, Hyundai, Honda, Nissan und Suzuki - also 12 große Autokonzerne - zusammen (siehe Grafik)! Toyota, vor Teslas Aufstieg traditionell der wertvollste Autokonzern der Welt, bringt als nunmehrige Nummer zwei der Branche in dieser Statistik rund 180 Milliarden Euro Marktwert auf die Waage - nur etwas mehr als ein Drittel von Tesla.
Ob das in diesem Ausmaß nun gerechtfertigt ist, sei dahingestellt. Ohne Grund erfolgte der Aufstieg des Newcomers freilich nicht. Während traditionelle Autokonzerne ihre Schwierigkeiten haben oder gar ins Schleudern geraten sind, ist Tesla auf Wachstumskurs. 2019 hat der US-Konzern knapp 25 Milliarden Dollar umgesetzt, heuer erwarten Analysten im Schnitt rund 30 Milliarden, 2021 dann schon rund 45 Milliarden. Der Nettogewinn soll 2021 an der Marke von vier Milliarden Dollar kratzen.
VW am Scheideweg
Zum Vergleich: Die drei großen deutschen Anbieter dürften zusammen heuer, im Krisenjahr 2020, auf mehr als 450 Milliarden Umsatz kommen. VW allein fuhr 2019 einen Umsatz von 252,6 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 13,3 Milliarden ein. Heuer ist freilich ein herber Gewinneinbruch programmiert. Der Konzern leidet wie alle traditionellen Hersteller unter allgemeinen Verkaufsrückgängen am Automarkt und unter dem Wandel in Richtung Elektrifizierung und Digitalisierung. Letzteres erfordert milliardenschwere Investitionen, gleichzeitig werden in der Autobranche aber auch harte Sparprogramme mit Stellenabbau in der herkömmlichen Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren durchgezogen. Eine Durchdringung der Flotte mit neuen Antrieben ist wichtig, um die verschärften Klimaziele einzuhalten. Die große Frage ist nun, ob die Transformation gelingt.
Bei VW, wo man erst spät das Steuer herumgerissen hat, sind Börsianer skeptisch, dass ein so großer Konzern eine derart radikale Neuausrichtung meistert. Die Aktie liegt auf Sicht von 12 Monaten (jenem Zeitraum, in dem sich der Wert von Tesla beinahe versechsfacht hat) fast 20 Prozent unter Wasser. Damit zählt VW auch zu den größten Flops im deutschen Aktienindex DAX und – gemeinsam mit der Verwandtschaft namens Porsche – auch zu den größten Verlierern innerhalb der europäischen Autobranche inklusive Zulieferer.
Die Börse hat die Krise schon abgehakt
Diese hat sich an der Börse, wie auch der Gesamtmarkt, interessanter Weise längst wieder erholt. Der DAX notiert bereits wieder auf jenem Niveau, das er vor Ausbruch der Coronakrise innehatte, dasselbe gilt für den amerikanischen Leitindex S&P 500. Die US-Börsen haben soeben sogar neue Rekordstände erreicht. Das schürt allgemein Hoffnung, dass das schlimmste bereits überstanden ist. Denn die Börse blickt stets voraus, war zu Beginn des Jahres auch schon im Sturzflug, als das Ausmaß der Pandemie noch gar nicht bekannt war.
Zu den Gewinnern des Jahres 2020 zählen jene Konzerne, die von den diversen Lockdowns sogar profitieren: Die Netflix-Aktie hat in einem Jahr fast 70 Prozent an Wert gewonnen, Amazon 80 Prozent, Zalando 89 Prozent und Paypal gar mehr als 100 Prozent. Auf der anderen Seite zählen Banken, Ölkonzerne und natürlich Unternehmen aus der Reisebranche zu den großen Verlierern.
Nicht jedoch Autowerte. Denn VW ist eher die Ausnahme denn die Regel. Der Stoxx Europe 600 Automobiles & Parts Index liegt auf Sicht von 12-Monaten nämlich ebenfalls schon leicht im Plus! Reifenhersteller Nokian Renkaat ist sogar schon um 24 Prozent teurer als vor einem Jahr. Aber auch die Daimler-Aktie liegt trotz Branchenkrise und Corona rund 17 Prozent im Plus.
Ob da schon etwas Übernahmefantasie eingepreist ist? Elon Musk hat bereits laut darüber nachgedacht, dass er sich die Übernahme eines Konkurrenten vorstellen könne, sofern dies nicht auf Gegenwehr stoße. Prompt wird unter US-Experten Daimler als möglicher Kandidat gehandelt. Daimler bedient mit Mercedes-Benz in puncto Preisklasse und Anspruch einen ähnlichen Kundenstamm wie Tesla und könnte die Position der Amerikaner am chinesischen und europäischen Markt stärken.
Schlüsseljahr 2021
2021 dürfte jedenfalls zum Schlüsseljahr für die Branche werden. Dann kommen so viele neue Elektroautomodelle wie nie von deutschen Herstellern auf den Markt. Mit Blick auf die Profitabilität im E-Auto-Segment ist aber viel Geduld gefragt. „Toyota etwa erwartet das Erreichen der Gewinnschwelle erst mit der zweiten Generation E-Autos bis Ende 2021“, erklärt Benjardin Gärtner, Leiter Portfoliomanagement Aktien bei Union Investment, in einer Analyse. „Erst die dritte Generation dürfte dann laut Aussagen des Managements ab 2025 bis 2026 eine positive Marge liefern. Ähnliches dürfte auch für die deutschen Autobauer gelten.“
Das längerfristig größte Risiko für die traditionellen Autohersteller und somit auch deren Aktien liegt darin, wie die Konzerne den Wechsel zur Elektromobilität schaffen. Einfach wird das nicht: Die großen Automobilkonzerne sind schwerfällige Tanker, die nur langsam ihre Richtung ändern können. Andererseits haben sie meist reichlich Ressourcen und vor allem Erfahrung in der Massenproduktion. Erst mit hohen Stückzahlen lässt sich Kostendegression und mittelfristig ein profitables Geschäft erreichen.
Tesla auf der anderen Seite hat als First Mover einen Vorsprung. Einfacher werden die Zeiten für den US-Konzern freilich nicht, wenn nun die Konkurrenz Gas gibt (ein zugegeben unglückliches Wortspiel, wenn es um E-Autos geht). Auch dass die Aktie demnächst in den S6P 500 Index aufgenommen wird, ist ein zweischneidiges Schwert: Zum einen ist es ein Symbol für den Aufstieg des Konzerns und kurzfristig sollte es der Aktie auch helfen, müssen sie nun doch auch Fondsmanager, die den Index nachbilden, kaufen. Zum anderen aber zeigt der Aufstieg auch eines: Tesla ist kein Newcomer mehr, sondern schon ein großer Player. Und bei solchen lässt die Wachstumsdynamik naturgemäß nach. Viele Aktien haben den Großteil ihres Erfolgswegs schon hinter sich, bevor der Ritterschlag der Börse mit der Aufnahme in große Leitindizes erfolgt. Ihre besten Zeiten hatten sie oft vorher. Die US-Bank JP Morgan hält die Tesla-Aktie aktuell jedenfalls für "dramatisch überbewertet", was angesichts der in diesem Artikel dargelegten Zahlenspielerein durchaus verständlich erscheint. Wie schwierig eine Einschätzung der Aktie ist und dass man das mit der Überbwertung sehr wohl auch anders sehen kann, zeigt eine Analyse der KFZ Wirtschaft.