Wasserstoff im Tank

Wasserstoff
13.05.2024

Im Interview erklärt Fahrzeugexperte Bernhard Geringer, in welchen Fahrzeugen Wasserstoff bereits heute sinnvoll eingesetzt werden kann.
Fahrzeugexperte Bernhard Geringer sieht im Wasserstoff als Treibstoff interessante Zukunftsperspektiven.
Fahrzeugexperte Bernhard Geringer sieht im Wasserstoff als Treibstoff interessante Zukunftsperspektiven.

automotive.at: Herr Geringer, Sie sind Vorsitzender des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik ÖVK und Organisator des alljährlich in der Wiener Hofburg veranstalteten internationalen Wiener Motorensymposiums. Welche Themen stehen dieses Frühjahr am Programm?

Bernhard Geringer: Ein Schwerpunkt ist dieses Jahr der klimaneutrale Antrieb, unter anderem mit Brennstoffzelle und Wasserstoffmotor sowie natürlich reine Elektroantriebe und diverse Hybrid-Lösungen. Darüber hinaus stehen im Fokus die Energieträger für die Mobilität sowie der Weg der Automobilindustrie zum autonomen Fahrzeug. Für diese spannende Diskussion konnten wir das Wiener Hitech-Unternehmen TTTech als Partner gewinnen, das mit seiner Initiative „The Autonomous“ ganz vorne an der Entwicklung autonomer Fahrfunktionen beteiligt ist.

Die österreichische Bundesregierung will im Rahmen ihrer Wasserstoff-Strategie die Produktion von klimaneutralem Wasserstoff fördern. Werden wir also bald Wasserstoff statt Benzin oder Diesel tanken?

Einige Vorträge am Motorensymposium beschäftigen sich mit dem Wasserstoff-Motor, in dem ähnlich wie in einem Erdgas- oder Flüssiggas-Motor Wasserstoff verbrannt wird. Das ist tatsächlich eine interessante Alternative zu fossilen Kraftstoffen, vor allem wenn der Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt wird. Den Motorenentwicklern ist es mittlerweile gelungen, den Wasserstoffmotor durch leistungsstarke Aufladung auf das gleiche Leistungsniveau wie einen Benzinmotor zu bringen. Der große wirtschaftliche Vorteil dieser Antriebslösung ist, dass bestehende Verbrennungsmotoren dafür nur moderat adaptiert werden müssen. Auch das Getriebe bleibt gleich, nur der Tank muss gegen Gasdruckbehälter ausgetauscht werden.

BMW hat bereits 2005 mit dem Modell Hydrogen 7 einen Wasserstoffverbrennungsmotor vorgestellt. Warum hat sich dieser nicht schon damals durchgesetzt?

Der BMW Hydrogen 7 leistete nur 260 PS und hatte ein Drehmoment von 390 Nm. Im Vergleich dazu hatte ein 760i mit Benzinmotor stolze 445 PS und ein Drehmoment von 600 Nm. Die Entwicklung ist aber nicht stehen geblieben, und die heutigen Wasserstoff-Verbrennungsmotoren liegen mit einem Wirkungsgrad von bis zu 43 Prozent sogar über den Benzinmotoren. Außerdem wird das Gas heute in Drucktanks für lange Zeit verlustfrei gespeichert, während es vor 18 Jahren noch auf minus 253 Grad Celsius heruntergekühlt und verflüssigt wurde. Obwohl die Tanks damals gut isoliert waren, hat sich der Wasserstoff innerhalb weniger Tage daraus verflüchtigt.

Ist die Technologie also heute schon reif für die Serienproduktion?

Der Wasserstoff-Verbrennungsmotor geht noch 2024 in Serienproduktion und ist für Lkw im Fernverkehr und für Sonderfahrzeuge auf jeden Fall eine interessante Antriebs-Alternative. Einer weiteren Verbreitung im Pkw-Sektor steht allerdings die mangelnde Infrastruktur entgegen. Derzeit gibt es erst fünf Wasserstoff-Tankstellen in Österreich, die per Lkw mit dem Gas beliefert werden müssen - das ist nicht ideal. Es müsste flächendeckend Tankstellen geben, die über Pipelines versorgt werden.

Ist der Einsatz von Wasserstoff in einer Brennstoffzelle nicht deutlich effizienter als in einem Verbrennungsmotor?

Die Brennstoffzelle in Kombination mit einem Elektromotor hat im Teillast-Bereich, in dem ein Pkw vorwiegend betrieben wird, tatsächlich einen höheren Wirkungsgrad. Im Volllastbetrieb, in dem ein Lkw hauptsächlich unterwegs ist, hat wiederum der Wasserstoff-Verbrennungsmotor die Nase vorn. Eine Herausforderung im Betrieb von Brennstoffzellen liegt zudem im hohen Reinheitsgrad von zumindest 99,97 Prozent, den der Wasserstoff haben muss, damit die Brennstoffzelle nicht vorzeitig altert. Außerdem benötigt diese Technologie ein aufwändiges Thermomanagement, da sie im Betrieb die Abwärme nur über das Kühlwasser abführt und damit die doppelte Kühlerfläche zu heutigen Motoren benötigt.

Sind Wasserstoffmotoren tatsächlich völlig klimaneutral?

Nur der sogenannte „grüne“ Wasserstoff, der mit Strom aus Photovoltaik, Wind- oder Wasserkraft hergestellt wird, ist in der Anwendung klimaneutral. Wird für die Herstellung Strom aus Kohlekraftwerken verwendet, ist dieser „braune“ oder „schwarze“ Wasserstoff klimaschädlich und nicht zukunftsfähig. Auch bei der Wasserstoff-Erzeugung aus Erdgas mittels Dampfreformierung oder Methan-Aufspaltung fällt klimaschädliches CO2 an, und bei der Herstellung mittels Atomenergie radioaktiver Abfall. Bei der Verbrennung von Wasserstoff im Motor entstehen darüber hinaus wie bei jedem Verbrennungsprozess Stickoxide, die aber von einem herkömmlichen SCR Katalysator wie beim Dieselmotor durch Ad-Blue Zugabe weitgehend neutralisiert werden können. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Wasserstoffmotor als Brückentechnologie durchaus seine Vorteile hat – vorausgesetzt, er wird mit grünem Wasserstoff betrieben.

Viele österreichische Zulieferbetriebe für die Automobilindustrie haben sich auf Komponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert. Könnte der Wasserstoff-Verbrennungsmotor für sie eine Zukunftsperspektive darstellen?

Tatsächlich beschäftigen sich bereits mehrere österreichische Unternehmen mit der Wasserstoff-Technologie. Bei AVL List in Graz werden nicht nur Wasserstoff-Lkw, sondern auch ein Wasserstoff-Rennmotor entwickelt. Und auch bei Bosch arbeitet man intensiv an Wasserstoff-Lösungen, von der Elektrolyse bis hin zu automotiven Anwendungen. Wirtschaftliche Chancen gibt es aber auch für kleinere Zulieferbetriebe, denn für den Wasserstoffantrieb werden zahlreiche Komponenten benötigt, darunter Tanksysteme, Dichtungen, Sensoren, Abschalteinrichtungen, Kühlsysteme, Pumpen, Umschaltventile, etctetera.