Diagnosekrimi
Mercedes Citan: Countdown bis zum Stillstand
Der Mercedes Citan 109 steht in Diensten der SAG Austria Handels GmbH und wird täglich für Lieferfahrten eingesetzt. Nach fünf Jahren hat der von einem 70kw starken 1,5 Liter Dieselmotor angetriebene Transporter bereits 145.000 km auf dem Tacho, als eines Tages die Ad-Blue Warnlampe aufleuchtet. Gleichzeitig erscheint auf dem Kombiinstrument die Meldung, dass in 1200 Kilometern kein Motorstart mehr möglich sein wird. Diagnoseexperte Michael Pirovc, der bei SAG Austria als Technical Trainer tätig ist, nimmt sich gemeinsam mit seinen Werkstattkollegen der Sache an und versucht, den Countdown bis zum Motorstillstand durch die Behebung des Defektes zu stoppen. Ein Diagnosekrimi beginnt.
- Bei der ersten Diagnose wird im Motorsteuergerät angezeigt, dass keine Kommunikation mit dem Ad-Blue Steuergerät möglich ist. Wir bestellen - rückblickend wohl etwas voreilig - einen neuen Ad-Blue Tank inkl. Steuergerät. Die komplette Einheit wird eingebaut, codiert und am Fahrzeug angelernt.
- Da wir aktuell keine Star Diagnose via Pass Thru im Einsatz haben, konsultieren wir den Macs Remote Service von Hella Gutmann. Der Techniker des Remote Service startet die Programmierung, die aber leider immer wieder abgebrochen wird.
- Im nächsten Schritt überprüfe ich die Spannungsversorgung am Ad-Blue Steuergerät. Hierzu forderte ich über die Hella Gutmann Hotline einen originalen Stromlaufplan inklusive Sicherungsbelegung und Einbaulage an.
- Mittels Multimeter stelle ich fest, dass nach 2 bis 3 Minuten die Plusversorgung am Ad-Blue Steuergerät ausfällt, die über die Sicherung 8 unter der Zentralelektronik im Motorraum abgesichert ist. Die Sicherung ist in Ordnung, aber die Zentralelektrik drehte immer nach kurzer Zeit die Spannungsversorgung ab.
- Da offensichtlich die Zentralelektronik defekt ist, bestellen wir eine neue und lassen diese gleich bei Mercedes einbauen, da diese auch codiert werden muss. Gleichzeitig lassen wir bei Mercedes auch das Ad-Blue Steuergerät codieren.
- Nach der erfolgreichen Codierung der Steuergeräte wird zwar am Diagnosegerät kein Fehler mehr angezeigt, doch am Kombiinstrument leuchtet die Ad-Blue Warnlampe weiter, und der Countdown bis zum Motorstillstand zählt gnadenlos herunter und steht auf nur noch 800 Kilometer.
- Die Mercedes Werkstatt meint, dass möglicherweise die NOx Sensoren nicht mehr einwandfrei arbeiten. Wir lassen beide tauschen und neu anlernen. Leider bringt die Maßnahme keine Veränderung und der Countdown läuft weiter.
- In den Unterlagen des Herstellers finden wir schließlich folgende Information: Wenn alle Fehler im Ad-Blue System beseitigt wurden und die Meldung Ad-Blue im Kombiinstrument bleibt, ist das Motorsteuergerät zu erneuern.
- Wir tauschen das Motorsteuergerät aus, und das Problem ist tatsächlich damit behoben. Die Warnlampe erlischt, der Countdown ist gestoppt, die Abgasnachbehandlung funktioniert, der Diagnosekrimi ist gelöst.
Erkenntnis
Die Ursachen für ein defektes Motorsteuergerät können je nach ECU sehr unterschiedlich sein. Häufig ist ein Kurzschluss in der Verkabelung oder in Bauteilen schuld, der zum Durchbrennen führen kann. Auslöser dafür können die ständigen Vibrationen sein, denen die Steuergeräte ausgesetzt sind, aber auch starke Temperaturschwankungen. Besonders im Sommer, wenn die Temperatur unter der Motorhaube stark ansteigt, machen Steuergeräte gerne Probleme. Diagnoseexperte Michael Pirovc schöpfte erstmals Verdacht auf einen Steuergerät-Defekt, als das Flashen mit dem Original-Tester nicht möglich war. Denn dieser zeigte an, dass die Software bereits aktuell ist. So war ein Austausch der Hardware, wie in den Hersteller-Unterlagen empfohlen, unvermeidlich. Die bittere Erkenntnis: Hätte das Diagnosegerät die Fehlfunktion des Steuergerätes gleich erkannt, wäre der vorherige Austausch des kostspieligen Ad-Blue Systems sowie der Nox Sensoren vermeidbar gewesen.