Innovationen
Neue Reifen für den Klimaschutz
Mittlerweile kennt wohl schon jeder Reifenfachmann die Story vom Öko-Reifen aus Löwenzahn. Eine Entwicklung von Continental, die vielleicht auch ein bisschen PR-Gag ist, aber schlussendlich zeigt, was die Reifenindustrie vorhat: Man will grüner, nachhaltiger und in der Endausbaustufe sogar klimaneutral werden. Das geht nicht von heute auf morgen, aber im Jahr 2050, so sind sich die großen Hersteller fast einig, kann es soweit sein. Dafür braucht es aber schon jetzt mehr als PR-Gags und tolle Konzeptreifen auf Messen. Die gute Nachricht: Die Reifenindustrie meint es tatsächlich ernst.
Öko-Reifen von Continental
Continental hat die Produktion des UltraContact NXT, ihres bislang nachhaltigsten Serienreifens, in ihrem Werk im portugiesischen Lousado gestartet. Mit bis zu 65 Prozent nachwachsenden, wiederverwerteten und Massenbilanz-zertifizierten Materialien kombiniert der neue Sommerreifen von Continental einen hohen Anteil an nachhaltigen Materialien bei – laut Hersteller – maximaler Sicherheit und Leistung. Untermauert wird das Versprechen mit Bestnoten im EU-Reifenlabel in den Bereichen Rollwiderstand, Nassbremsen und Außengeräusche. Der besonders nachhaltige Reifen besteht aus bis zu 32 Prozent nachwachsenden Rohstoffen. Dazu gehören Harze, die aus Reststoffen der Papier- und Holzindustrie gewonnen werden und biobasiertes Silika aus der Asche von Reishülsen, einem Abfallprodukt der Landwirtschaft. Der Anteil an recyceltem Material im UltraContact NXT liegt bei bis zu fünf Prozent. Dazu gehört wiederverwerteter Gummi, der aus mechanisch aufbereiteten Altreifen stammt. Darüber hinaus wird recycelter Stahl eingesetzt. Auch die „ContiRe.Tex-Technologie“ wurde übernommen: Damit erzeugt Continental Hochleistungspolyesterfasern zur Verstärkung der Reifenkarkasse durch das Recycling von PET-Flaschen, die sonst häufig in Verbrennungsanlagen oder auf Deponien landen. Je nach Reifengröße werden zwischen neun und fünfzehn PET-Flaschen pro Reifen wiederverwendet. Die eingesetzten PET-Flaschen werden ausschließlich aus Regionen bezogen, in denen es keinen geschlossenen Recyclingkreislauf gibt. Bis zu 28 Prozent bestehen aus ISCC Plus Massenbilanz-zertifizierte Materialien. Was ist das? Beispielsweise nachhaltiger Synthesekautschuk und Industrieruß aus nachhaltigen Bio-Rohstoffen. Bis 2030 strebt Continental einen Anteil von über 40 Prozent nachwachsender und wiederverwerteter Materialien in seinen Reifen an. Pfiffig: Ein eigenes Logo auf der Reifenwand soll anzeigen, dass der Reifen auch aus recyceltem Material stammt.
Pirelli hält mit
Conti ist aber nicht der einzige Hersteller, der in diese Richtung aktiv ist. Der italienische Reifenhersteller Pirelli hat ein Logo entwickelt, das auf der Reifenwand anzeigt, dass mindestens 50 Prozent biobasierte und recycelte Materialien im Reifen verwendet werden. Seine Prämiere feiert das Logo sogar schon auf einem fertigen Produkt, dem Pirelli P Zero E. Dieser Pneu enthält bei der Markteinführung in der gesamten Produktpalette mehr als 55 Prozent seiner Materialien aus biobasierten und recycelten Stoffen. Bis 2030 wurde vom Unternehmen festgelegt, dass ausgewählte Produktlinien mindestens 60 Prozent biobasierte, 12 Prozent recycelte und weniger als 30 Prozent fossile Inhaltsstoffe beinhalten sollen. Wie alle Hersteller musste auch Pirelli einen Weg finden, seinen UHP-Reifen so zu gestalten, dass er trotz seines hohen ökologischen Gehalts die gleiche Performance liefert wie ein weniger nachhaltiger Gummi. Laut Hersteller sei das uneingeschränkt geglückt.
Bridgestone nimmt die Hürde
Es gibt kaum einen Hersteller, der nicht in den letzten Jahren einen Öko-Reifen gezeigt hat, auch wenn es oft nur Konzeptreifen waren, die als Machbarkeitsstudien gedient haben. Einen Schritt weiter geht derzeit der japanische Hersteller Bridgestone. Dessen Werk in Chakan im indischen Pune wurde von Mai bis Juni 2023 äußert umfänglich geprüft und nach dem internationalen Standard PAS 2060 für das Jahr 2022 als klimaneutral zertifiziert. Es ist das erste Werk des Herstellers, das diese Hürde genommen hat. Das Paradebeispiel zeigt, welche Schritte es tatsächlich braucht, um die eigene Dekarbonisierung zu meistern. In der Bridgestone Niederlassung werden jährlich mehr als vier Millionen Reifen produziert. Dank durchdachter Maßnahmen konnte das Werk im Laufe des Jahres seinen CO2-Fußabdruck um 94 Prozent reduzieren, beispielsweise mit Solaranlagen und klimaneutralen Heizanlagen auf Biomassebasis, die CO2-neutrale Briketts aus landwirtschaftlichen Abfällen nutzen. Die noch anfallenden CO2-Emissionen von 2.975 Tonnen werden mittels Umweltzertifikaten ausgeglichen. Auch Bridgestone will global gesehen bis 2050 vollständig klimaneutral agieren, bis zum Jahr 2030 soll der ökologische Fußabdruck um 50 Prozent gegenüber 2011 gesenkt werden.
Fazit und Ausblick
Jeder Öko-Trend hat seinen Preis. Kunden, die heute mit grünen Reifen unterwegs sein wollen, zahlen meist auch mehr dafür als für Standard-Pneus. Wie weit die aktuellen Öko-Technologien auf zig Millionen neue Reifen weltweit umlegbar sind, dazu gibt die Industrie nur wenig bekannt. Im Kleinen funktionierende Konzepte müssen erst beweisen, dass sie sich wirtschaftlich gesund skalieren lassen.