Der Ton macht die Musik

Unternehmensführung
16.11.2021

Von: Rolf Leicher
Fehler können jedem einmal passieren. In der Arbeitswelt muss der Vorgesetzte darauf reagieren. Aber wie? Erst kürzlich hat die KFZwirtschaft fünf Regeln für Kritikgespräche definiert. Lesen Sie hier nun, wie man Kritik richtig formuliert. 
Kritik kann vielbewirken, aber ihr angemessene Formulierung will gelernt sein.

Mitarbeiter*innen kommen morgens zu spät, halten sich nicht an Anweisungen oder arbeiten zu langsam bzw. nicht sorgfältig – Anlass zu Kritik gibt es im Arbeitsalltag immer wieder. Damit umzugehen ist jedoch gar nicht so einfach, schließlich ist die Situation meist für beide Seiten nicht angenehm. Wer Kritik einstecken muss, empfindet dies oft als verletzend, Vorgesetzte wiederum fühlen sich mitunter überfordert, manche vergreifen sich auch im Ton. 

Das muss nicht sein: Kritik zu üben kann man lernen. Wichtig ist es, bewusst vorzugehen und besonnen und nicht aus dem Affekt heraus zu agieren. Grundsätzlich empfiehlt es sich stets, sachlich und konstruktiv zu bleiben sowie die Kritik unter vier Augen zu kommunizieren. 

Aber auch die angemessene Formulierung der ­Kritik an sich will gelernt sein und kann viel bewirken: Mit unterschiedlichen Formulierungen kann man den Wirkungsgrad der Kritik wunderbar steuern. 

Gesprächsführung: gelbe Karte

Zwischen der Ich- und der Sie-Botschaft besteht ein deutlicher Unterschied. Die Sie-Botschaft wirkt persönlich und vorwurfsvoll: „Du bist zu langsam …, Du musst dich mal beeilen …, Du hast … falsch gemacht, Du hast wieder … vergessen.“ Die Ich-Botschaft wirkt vorwurfsfrei und wird eher angenommen: „Ich habe festgestellt …, Mir fällt auf …, Ich sehe gerade …“. Auch die Erwartungen an die kritisierte Person lassen sich in der Ich-Botschaft konstruktiv formulieren: „Ich wünsche mir …, Ich erwarte, dass …, Ich bitte dich dringend …“. Und sie sind wirkungsstärker als „Du musst jetzt endlich …, Du darfst nicht …, Du hast schon wieder …“. 

Mit den unterschiedlichen Formulierungen kann der Wirkungsgrad der Kritik gesteigert oder gesenkt werden. Zunächst formuliert man die Kritik in Stufe 1 und verzichtet auf „müssen“ und „dürfen nicht“. Gesprächstypisch sind Formulierungen wie „Ich empfehle dir …, Ich bitte, dass …, Achte zukünftig bitte auf …“. Gesprächstypisch für die Stufe 4 ist: „Du musst unbedingt …“. Bei weiteren Fehlern oder Verstößen gegen Anweisungen führt kein Weg an einer Abmahnung vorbei. Zum kooperativen Führungsstil gehört es auch, konsequent zu sein, das Team erwartet das. Wer den Mut verloren hat, wegen Personalmangel eine Stufe höher zu gehen, wird sich auch bei anderen Mitarbeiter*innen nicht mehr durchsetzen können. 

Google hat für seine Mitarbeiter in den USA folgende Grundsätze geschaffen: „Fehler sind keine Katastrophe, sofern sie nicht viel kosten. Fehler müssen schnell erkannt werden und dürfen sich keinesfalls wiederholen. Fehler müssen transparent werden, damit sie sofort beseitigt werden können“. Jüngere, weniger erfahrene Beschäftigte werden bei schwierigen Arbeiten nicht alleingelassen, jemand mit Erfahrung überwacht sie und erkennt sofort mögliche Fehler.

Am Ende eines Kritikgesprächs sollten Zuversicht und Vertrauen ausgesprochen werden, dahingehend, dass sich der Fehler nicht wiederholt. Damit wird der Kritisierte moralisch zur besseren Leistung verpflichtet, bei der motivierten Mitarbeiterin entsteht sogar Ehrgeiz. Nach einem gelungenen Kritikgespräch wird sich der oder die Angesprochene besonders anstrengen. Diese Verbesserung der Leistung sollte ausdrücklich anerkannt werden, gerade zuvor kritisierte Mitarbeiter*innen erwarten das – zu Recht. Denn wer sich nach einem Kritikgespräch bessert, braucht eine ­Rückmeldung. Das spornt an und motiviert, die gute Leistung zu halten. Der Erfolg eines Kritikgesprächs wird daran gemessen, inwieweit Betroffene ihr Verhalten ändern, ihre Leistung verbessern. Kritik wird seit einiger Zeit auch als Feedback bezeichnet, als Rückmeldung über den Leistungsstand. Der Begriff Feedback verschleiert jedoch den Ernst der Beurteilung, viele verstehen Rückmeldung nicht als Kritik, sondern als Meinungsäußerung, und nehmen das Gespräch auf die leichte Schulter. 

Abmahnung: rote Karte 

Die Gründe für eine Abmahnung sind vielfältig: Verstoß gegen Anweisungen, Verweigerung von bezahlten Überstunden, Rauchen am Arbeitsplatz, Alkoholkonsum, Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften, dauernde Handynutzung, Unpünktlichkeit, unerlaubte Nebentätigkeit, unentschuldigtes Fehlen.
Verstößt ein Mitarbeiter trotz der Kritik des Chefs ­wiederholt gegen Anweisungen, ist eine Abmahnung oder ein Disziplinargespräch die letzte Möglichkeit, eine Kündigung zu vermeiden. Die Abmahnung hat eine Warnfunktion und muss sich auf einen oder mehrere konkrete Verstöße beziehen. Entgegen weit verbreiteter Ansicht kann auch eine Abmahnung mündlich erfolgen, Schriftform ist nicht erforderlich. 

Die Handynutzung kann abgemahnt werden, führt in der Regel aber zum Vergleich der geduldeten Handynutzung in anderen Betrieben. In der Praxis kommt es auf die Verhältnismäßigkeit an. Duldet der Arbeitgeber die gelegentliche Nutzung, wird der Arbeitnehmer auch eher bereit sein, Mehrarbeit ohne Vergütung zu leisten. Damit wird Entgegenkommen nicht zur Einbahnstraße. 

Eine Abmahnung ist nicht erforderlich wenn es um schwere Vertragsverletzungen geht, z. B. Veruntreuung oder Diebstahl. Man kann voraussetzen, dass es dem oder der Beschäftigten bewusst ist, dass es in derlei Fällen zur fristlosen Kündigung kommt. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien erschüttert, kann es durch eine Abmahnung auch nicht wiederhergestellt werden. 

Formulierungen:

Stufe 1: Die Bitte: „Bitte achte zukünftig auf …“
Stufe 2: Der Wunsch: „Ich möchte, dass Du auf … achtest.“
Stufe 3: Die Erwartung: „Ich erwarte, dass Du ab sofort …“
Stufe 4: Der Appell: „Du musst unbedingt …“ 
Stufe 5: Die Abmahnung: „Ich fordere dich auf …, das ist eine Abmahnung.“

Das Kritikgespräch ist nicht gelungen, wenn …

 ... der gleiche Fehler erneut begangen wird, also keine Besserung eintritt.
 ... sich die Leistung nur kurzfristig bessert und dann wieder nachlässt.
 ... Mitarbeitende guten Willens sind, aber die  erwartete Leistung nicht erbringen können.
 ... Mitarbeitende sich frustriert zurückziehen und sich ihr Einsatz verschlechtert.
 ... es zu einer Diskussion über den Tatbestand kommt.
 ... Vorgesetzte selbst nachtragend oder auch misstrauisch sind.
 ... Vorgesetzte Diskretion vermissen lassen und andere, womöglich Unbeteiligte, von der Kritik erfahren.
 ... Vorgesetzte mit Kritik warten, Tatbestände also schon länger zurückliegen. 
 ... Vorgesetzte etwas kritisieren, wofür der oder die Mitarbeitende nicht verantwortlich ist.