Das muss der Reifen der Zukunft leisten
Herr Mühlhäuser, wie stellt sich Bridgestone die Zukunft des Pkw-Reifens vor?
Wir haben die Entwicklungen aller Markttrends, Innovationen und Mobilitätslösungen stets im Blick. Bei der zukunftsorientierten Aufstellung spielen unsere F&E-Zentren die Schlüsselrolle, vor allem in den Bereichen Reifenmaterialforschung, Reifendesign und -entwicklung, Prototypenherstellung sowie bei allen Formen von Tests.
Der Reifen der Zukunft ist dabei für Bridgestone nicht nur das „eine Design“ – er muss maßgeblich dabei unterstützen, die Makrotrends wie CASE-Mobilität (Übersetzung: Connected, Autonomous, Shared und Electric), Urbanisierung oder Ressourcenknappheit zu bewältigen, die unsere Welt und Industrie beeinflussen. Der Reifen der Zukunft wird daher vernetztund intelligent. Durch prädiktive Modelle werden Autofahrer zukünftig von einem neuen Maß an Komfort, Effizienz und Sicherheit profitieren. Der Reifen ist darüber hinaus geräuscharm. So eliminieren Elektrofahrzeuge beispielsweise das Motorgeräusch nahezu komplett, normalerweise wird sonst der Klang herkömmlicher Reifen durch das Geräusch eines Verbrennungsmotors überlagert. Der Reifen wird auch leichter sein, denn leichtere Reifen erfordern weniger Materialressourcen in der Herstellung, benötigen weniger Kraftstoff im Einsatz und tragen zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei.
Welche Technologien/Eigenschaften wird der Reifen der Zukunft somit erfüllen müssen?
Mit einem Blick in unser aktuelles Portfolio warten wir hier sowohl mit Produkten aber auch mit den entsprechenden Lösungen auf, beispielsweise mit unserer neu entwickelten Leichtbau-Reifentechnologie Enliten. Diese ermöglicht einen um durchschnittlich 30 Prozent niedrigeren Rollwiderstand als ein herkömmlicher Premium-Sommerreifen und erhöht die Reichweite eines Elektrofahrzeugs somit deutlich. Dazu trägt auch die Gewichtsersparnis von rund 20 Prozent bei, die ca. 2kg pro Reifen beträgt. Bridgestone Turanza Eco Reifen mit dieser Technologie kommen bislang unter anderen in der Erstausrüstung des Audi RSQ3, des Fiat 500 BEV, der neuen Golf 8-er Serie sowie der wegweisenden Volkswagen ID.3 und ID.4 zum Einsatz.
Ein weiteres Beispiel ist unsere B-Silent Technologie, die auch mit dem Ziel entwickelt wurde, die Geräuschentwicklung im Fahrzeug zu minimieren, um den Fahrkomfort für die Passagiere zu erhöhen. Diese Technologien zeigen, dass wir dieser Entwicklung große Bedeutung beimessen und unser F&E-Team entsprechend mit hohem Engagement und modernster Technologie kontinuierlich neue leistungsstarke und nachhaltig ausgerichtete Lösungen erarbeitet.
Darüber hinaus spielt bei uns auch die virtuelle Konzeption eine wichtige Rolle, denn durch die Entwicklung eines digitalen Reifens – ein digitaler Zwilling – kann Bridgestone viele Eigenschaften ohne physische Proben testen. Dies bringt Vorteile für die Umwelt und kann die Markteinführungszeit verkürzen.
Nicht zuletzt wird der Reifen der Zukunft auch schadensresistenter. Mit unserer Run Flat-Technologie ermöglichen wir es Autofahrern seit vielen Jahren bereits im Falle eines Reifenschadens die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten und noch rund 80 km bei bis zu 80 km/h weiterzufahren.
Was bedeutet das Wachstum speziell der Sparte E-Fahrzeuge und Hybride für Ihr F&E-Team?
Dies lässt sich sehr gut an der Erstausrüstung erläutern: Unabhängig vom Fahrzeugtyp zielt jede Reifenentwicklung in der OE-Sparte darauf ab, das Zusammenspiel zwischen Fahrwerk und Reifen möglichst ideal, im Sinne maximaler Sicherheit, abzustimmen.
Elektrofahrzeuge der neuesten Generation weisen dabei beispielsweise deutliche konzeptionelle Unterschiede gegenüber herkömmlichen Fahrzeugkonzepten auf. Dazu gehören unter anderen der durch das Batteriepaket bedingte tiefe Schwerpunkt, die geringere dynamische Achslastverlagerung, das hohe Drehmoment am Rad oder auch die veränderte Fahrzeuginnenraumakustik. Um das individuelle Anforderungsprofil eines BEVs bestmöglich zu erfüllen, liefern speziell entwickelte Reifen, quasi maßgeschneiderte Reifen, wie zum Beispiel Ausführungen unseres Bridgestone Turanza Eco, im Gesamtergebnis natürlich die überzeugendsten Ergebnisse.
Für unser F&E-Team besteht die Herausforderung darin, die Reifenbreite und den Außendurchmesser in Einklang zu bringen. Am Fahrzeug dürfen sie nicht zu weit nach innen reichen, da sonst das Batteriepaket im Weg wäre – aufgrund der gesetzlichen Vorschriften ebenso nicht nach außen. Reifen für Elektroautos weisen auch daher oftmals einen großen Durchmesser und eine schmalere Reifenbreite auf. Der große Durchmesser fördert die Tragfähigkeit und einen bei gleicher Breite geringeren Rollwiderstand. Um diese Zielkonflikte bei Parametern wie beispielsweise Rollwiderstand, Nasshaftung und Laufleistung möglichst optimal zu lösen, arbeiten wir unter anderem erfolgreich mit innovativen High-End-Laufstreifenmischungen, die entwicklungsbedingt immer wieder neue zielführende Lösungen eröffnen.
Mithilfe modernster Technologien reduzieren unsere Techniker und Ingenieure diese Zielkonflikte immer weiter durch neue Gummimischungen, verbesserte Profilstrukturen, die Optimierung der Reifenaufstandsfläche durch Simulationen oder auch Leichtbau. Unsere Enliten Leichtbau-Technologie sorgt beispielweise durch ihre signifikante Gewichtsreduktion und die damit einhergehende geringere Massenträgheit nicht nur beim Beschleunigen oder Verzögern für weniger Energieverluste, sondern schont gleichzeitig die Ressourcen durch einen geringeren Materialeinsatz. Auch die immer besseren Möglichkeiten der digitalen Simulation liefern wertvolle Daten, lange bevor die Produkte real existieren. Sie tragen maßgeblich dazu bei, potenzielle Problemfelder bereits im frühen Projektstatus zu erkennen und in der Folge effizientere Lösungen zu entwickeln. Mit modernsten Technologien, steter Weiterentwicklung und Partnerschaften mit weltweit führenden Automobilherstellern arbeitet Bridgestone kontinuierlich an der nachhaltigen Ausrichtung der Mobilität der Zukunft.