"Den Kopf habe ich nie in den Sand gesteckt"
Herr Prost – unser letztes Interview mit Ihnen als Geschäftsführer von Liqui Moly. Hand aufs Herz: Befürchten Sie einen Pensionsschock?
Ich gehe freiwillig und selbstbestimmt. Ich muss ja nicht in den Ruhestand, ich will es. Und natürlich bin ich nach mehr als 50 Jahren im Berufsleben sehr aufgeregt, weil ich nicht genau weiß, was mich erwar- tet. Nie hatte ich sowas wie Freizeit, Zeit für mich. Da war immer die Arbeit und seit geraumer Zeit die Verantwortung über ein Unternehmen und jetzt 1.000 Mitunternehmer*innen. Das wird schon eine Umstellung sein und ich hoffe, dass ich meiner Frau nicht zu sehr auf die Nerven gehe, wenn ich jetzt immer daheim hocke. Aber ich freue mich auf die gemeinsame Zeit mit ihr. Wir sehen uns jetzt die Welt an und genießen das Leben.
Zwei persönliche Dinge würden uns noch interessieren: Zunächst, was war rückblickend Ihr größter Erfolg – gleich ob geschäftlich oder privat?
Ich habe mich im und vom Leben niemals unterkriegen lassen. Das ist schon ein großer Erfolg. Ich habe eine Familie, die mich liebt. Und obendrein habe ich, zusammen mit einer Mannschaft aus ganz vielen wunderbaren Menschen, ein weltbekanntes Unternehmen aufgebaut. Unendlich dankbar bin ich, dass ich immer Menschen an meiner Seite hatte, auf die ich bauen konnte. Das mag banal klingen, ist aber wirklich großes Glück und ein gewaltiger Erfolg.
Und was war Ihre größte Niederlage?
Meinen Kopf habe ich nie in den Sand gesteckt. Und Gedankenspiele à la „Was wäre gewesen, wenn ...“ sind nicht meine Sache. Wissen Sie, als ich damals 1990 nach zwölf Jahren, drei Tagen und einer halben Stunde bei meinem Arbeitgeber Sonax rausgeflogen bin, war das im ersten Moment eine Niederlage. Wahrscheinlich war damals schon mein Freigeist für diesen Abgang verantwortlich. Kurz danach hatte ich einen Motorradunfall, hab mir die Knochen gebrochen. Also wenn ich schon in die Kacke greife, dann richtig. Mehr oder weniger zufällig bin ich dann über die Stelle als Vertriebs- und Marketingleiter bei Liqui Moly gestolpert. Gestolpert im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich kam auf Krücken. Und hier habe ich es weit gebracht mit meiner Art, Arbeit anzupacken. Alles im Leben hat einen Sinn. Wichtig ist, dass man niemals denselben Fehler zweimal macht und aus Niederlagen, wenn Sie das so nennen wollen, lernt. Alles andere spielt keine Rolle.
Also wenn ich schon in die Kacke greife, dann richtig.
Glauben Sie, dass man heute mit ehrlicher Arbeit noch so viel erreichen kann wie früher?
Natürlich kann man heutzutage auch auf andere Weise erfolgreich sein. Mir ist es ein Rätsel, wieso man als Influencer so viel Geld verdient. Diese jungen Frauen und Männer sind aber scheinbar Vorbilder für viele Menschen ihrer Generation. Auch die sind fleißig und arbeiten hart. Eine Portion Glück braucht jeder, um „den riesigen Erfolg“ zu haben. Da muss man vielleicht auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Aber an einer gewaltigen Portion Fleiß, ehrlicher, harter Arbeit, Ehrgeiz, Wille und Durchhaltevermögen führt kein Weg vorbei. Davon bin ich auch heute überzeugt. Das ist ein Erfolgsrezept, das Jahrhunderte überdauert hat. Zugegeben, es klingt nicht chic, hat sich aber bewährt.
Sie gelten als sozial engagiert, nennen Ihre Mitarbeiter*innen Mitunternehmer*innen und zahlen gerne Prämien aus. Macht sich das für das Unternehmen bezahlt?
Unbedingt. Wertschätzung und Teilhabe am Erfolg sind die größten Motivationsfaktoren. Wenngleich ich Prämien nicht in erster Linie deshalb bezahlt habe. Vielmehr ist es eine Form des Lobes für die sich meine Mitunternehmer etwas kaufen können. Wir kämpfen zusammen und siegen zusammen. Rechnungen, Wohnung oder ein Haus müssen bezahlt werden. Ein Blick auf die explodierenden Kosten für Energie und Lebensmittel genügt. Da tut so ein monetäres Dankeschön gut. Und hilft vielleicht mehr als ein reiner Dank. Wichtig für mich war immer, dass ich niemals vergesse, wo ich angefangen habe. Ich war nicht immer reich und meinen Erfolg verdanke ich meiner Mannschaft. Ich würde es verwerflich finden, würde ich sie nicht am Erfolg beteiligen.
Ein Job allein lockt heute niemanden mehr aus dem Wald. Da muss schon das ganze Paket stimmen. Scheinbar machen wir da etwas richtig.
Unsere Branche kämpft mit akutem Fach- kräftemangel. Wie findet man heute noch Fachkräfte
Allein mit warmen Worten lässt sich nirgends eine Fachkraft gewinnen. Die Entlohnung spielt eine Rolle. Es ist aber auch eine Frage des Markenklangs: Liqui Moly ist inzwischen nicht nur auf der ganzen Welt bekannt, sondern eine enorm sympathische Marke mit einer gewissen Anziehungskraft. Die Menschen arbeiten hier gern, weil wir ein eingeschworener Haufen sind, wo jeder seine Arbeitskraft und Kreativität in einer Wohlfühlatmosphäre zur Entfaltung bringen kann. Die Menschen wollen nicht nur Arbeit, sondern auch einen Sinn in ihrer Beschäftigung sehen. Das, was ich tue, muss mich fordern und fördern, mir aber auch Freude bereiten. Ein Job allein lockt heute niemanden mehr aus dem Wald. Da muss schon das ganze Paket stimmen. Scheinbar machen wir da etwas richtig.
Wird sich die E-Mobilität durchsetzen und was heißt das für Liqui Moly?
Internationalisierung und Diversifizierung sind meine Schlagworte. Klar wird sich der elektrische Antrieb auch durch Subventionen in Europa durchsetzen. Daneben gibt es Studien, die besagen, dass der Durst nach Motoröl weltweit noch größer wird. Schauen Sie sich die Zahlen an: über elf Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gibt es zurzeit weltweit – und rund zehn Millionen elektrische. Von beiden Arten kommen immer mehr hinzu. Liqui Moly ist in 150 Ländern aktiv, weshalb ich uns weit über die nächsten zehn Jahre sehr gut aufgestellt sehe. Aber auch in Europa können wir weiter wachsen und durch unser breites Sortiment von rund 4.000 Artikeln alles bieten, was man für Wartung, Service und Pflege braucht. Zudem stecken wir Geld in die Forschung und bringen spezielle Produkte für E-Fahrzeuge auf den Markt. Wir fahren ja nicht blind durch den Nebel, wenn es um die Zukunft geht. Wir passen uns an die Veränderungen in den Märkten an. Aber das haben wir immer schon so gehalten.
Wir schaffen Arbeitsplätze und zahlen Steuern auf unseren Gewinn in Österreich. Das ist Partnerschaft, wie wir sie verstehen.
Liqui Moly hat eine Gesellschaft in Österreich gegründet – vorher gehörte man zu Deutschland. Andere Schmierstoffhersteller überlegen, hiesige Niederlassungen aufzugeben. Wissen Sie vielleicht mehr als die anderen?
Für andere kann ich nicht sprechen. Wir waren schon immer anders als die Konkurrenz, sind keine anonymen Ölmultis, sondern die Liqui Moly-Familie. Und die hält zu ihren Kunden. Österreich ist neben Deutschland unser ältester Markt. Wir fühlen uns deshalb mit Österreich verbunden. Mit der Tochtergesellschaft gehen wir noch stärker auf die Bedürfnisse der österreichischen Kunden ein und bauen unsere Stellung im Markt zusammen mit unseren Partnern aus. Die Tochtergesellschaft ist natürlich eine Wertschätzung. Wir schaffen Arbeitsplätze und zahlen Steuern auf unseren Gewinn in Österreich. Das ist Partnerschaft, wie wir sie verstehen.
Sie haben selbst Kfz-Mechaniker gelernt und sich hochgearbeitet. Gibt es heute zu wenige junge Leute, die ein Handwerk lernen, sondern zu oft studieren?
Studieren ist für viele junge Menschen sehr wichtig. Aber nicht jeder sollte sich dazu verpflichtet fühlen. Handwerk wird immer gebraucht. Auch wir brauchen Gesellen, Meister und Techniker, die anpacken können und schnell praktische Lösungen haben. Sonst würde kein einziger Kanister Öl bei uns vom Band laufen. So eine abgeschlossene Handwerksausbildung muss nicht das Schlechteste sein, wenn ich meinen eigenen Weg betrachte.