Schmieren und kühlen
Schmierstoffe: Die neuen Alleskönner
KFZwirtschaft: Als wissenschaftliche Leiterin von AC2T research GmbH gestalten Sie die Zukunft der Schmierstoffentwicklung aktiv mit – wohin geht die Reise?
Nicole Dörr: Die zunehmende Verbreitung der Elektromobilität bringt neue Anforderungen an die Schmier- und Betriebsstoffe in den Fahrzeugen mit sich. So gut wie alle großen Schmierstoffhersteller haben sich des Themas angenommen, und es ist derzeit ein lebhafter Wettbewerb in Gang, wer die besten Produkte für die neue Antriebstechnologie auf den Markt bringen kann.
Wodurch unterscheiden sich die Schmierstoffe in E-Autos von jenen in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren?
Das klassische Motoröl muss beispielsweise mit dem Kraftstoffeintrag und dem bei der Verbrennung entstehenden Ruß zurechtkommen - diese spielen beim E-Motor naturgemäß keine Rolle. Bei diesem muss die Schmierung der Lager dagegen auf sehr hohe Drehzahlen abgestimmt sein. Derzeit drehen die E-Motoren mit etwa 10.000 U/min, doch der Trend geht zu 30.000 U/min und mehr. Für diese Anforderungen werden fettgeschmierte Wälzlager eingesetzt, die eine lebenslange Schmierung des Motors gewährleisten sollen.
Gibt es also keinen Ölwechsel mehr in einem rein elektrisch angetriebenen Fahrzeug?
Grundsätzlich sind die Betriebsstoffe in einem Elektrofahrzeug auf dessen Lebensdauer ausgelegt, ein Wechsel ist nicht vorgesehen. Es gibt allerdings mehrere Betriebsmittel-Kreisläufe für unterschiedliche Aufgaben. So müssen die Wicklungen des E-Motors gekühlt, das Getriebe geschmiert, und die Batterie im idealen Temperaturbereich gehalten werden. Die Bewältigung der Motorkühlung und Getriebeschmierung mit dem gleichen Fluid in einem einzigen Kreislauf bedeutet für die Schmierstoffentwicklung eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn für die Temperaturregulierung wäre eigentlich Wasser dank seiner niedrigen Viskosität und hohen Wärmekapazität ideal, doch für die Schmierung braucht es einen tragfähigen Film mit ausreichend hoher Viskosität. Ein Widerspruch, für den wir im Labor einen Kompromiss finden müssen.
Werden die Schmierölhersteller den Rückgang des Motoröl-Geschäftes mit den Betriebsstoffen für E-Fahrzeuge wettmachen können?
Das ist nicht zu erwarten. Aktuell werden pro Jahr weltweit rund 36 bis 40 Millionen Tonnen Schmierstoffe erzeugt, wovon etwa 30 Prozent als Motoröle im Automobilbereich verwendet werden. Die Ölindustrie entwickelt zwar nun auch Schmier- und Kühlmittel für E-Fahrzeuge auf Basis synthetischer Ester oder Kohlenwasserstoffe, doch machen die benötigten Mengen nur einen Teil der bisherigen Volumina aus. Die Schmierstoffhersteller stellen sich bereits auf die Veränderungen ein, wenn die Verbrenner eines Tages tatsächlich verboten werden.
Welche Betriebsstoffe werden zur Kühlung der Batterie in einem E-Auto verwendet?
Die konventionelle Methode beruht auf Kühlplatten, die von einer Mischung aus Wasser und Glykol durchströmt werden. Anstelle dieser indirekten Kühlung - die Kühlflüssigkeit darf ja nicht in Kontakt mit den Batteriezellen kommen - tritt immer mehr die sogenannte Immersionskühlung. Hierbei werden die einzelnen Batteriezellen direkt mit einem elektrisch nichtleitenden Fluid umspült. Auf diese Weise kann die Temperatur in der Batterie auf weniger als 1 Grad Celsius genau gehalten und damit die Effizienz der Batterie optimiert werden. Die oberösterreichische Firma Kreisel Elektrik hat sich diese Immersionskühlung patentieren lassen. Seit kurzem bietet auch der Schmierstoffhersteller TotalEnergies ein solches Fluid an.
Mit welchen aktuellen Forschungsprojekten im Schmierstoffbereich sind Sie aktuell beschäftigt?
Zu unseren Kunden zählen namhafte Schmierstoffhersteller und Automobilzulieferer. Wir testen unter anderem das Langzeitverhalten der Fluide, die für den Einsatz in Elektrofahrzeugen entwickelt werden. Ziel ist die Auslegung der Betriebsstoffe auf die Lebensdauer eines Fahrzeuges, daher muss die Stabilität über die gesamte Anwendungsdauer gegeben sein. Stellt sich bei den Tests heraus, dass sie den Anforderungen nicht genügen, können wir auf Basis unseres Know-hows Empfehlungen für eine Änderung der Rezeptur geben, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.